In diesem Artikel werden die wichtigsten Ohrerkrankungen und ihre Operationen erläutert. Seltene oder von uns üblicherweise nicht operativ behandelte Erkrankungen bleiben unberücksichtigt.
Am häufigsten sind Verengungen (Stenosen) zu nennen. Ursachen können äußere Einflüsse und wiederkehrende Hautentzündungen sein; es kommen aber auch angeborene Stenosen vor.
Beschwerden sind zeitweise auftretender Juckreiz, wässrige Absonderung, sowie dumpfes Gefühl vor allem nach dem Haarewaschen. Wenn Wasser in den Gehörgang gelangt ist, fließt es nicht wie bei einem normal weiten Gehörgang wieder heraus. Eine Schwerhörigkeit tritt dann auf, wenn das Trommelfell durch Sekret, Hautschuppen oder entzündungsbedingtes Narbengewebe abgedeckt wird.
Das Prinzip bei der operativen Behandlung ist die Erweiterung des Gehörgangs durch Beseitigung der Verengungen im Bereich des knorpeligen und/oder des knöchernen Anteils.
Der Eingang des Gehörgangs ist zu eng. Wird die Ohrmuschel an den Kopf gedrückt, verschließt sich der Eingang vollständig. Ursache können chronische Entzündungen sein, ausgelöst z. B. durch Ohrreinigung durch den Patienten oder ein zu eng sitzendes Ohrpassstück eines Hörgerätes.
In manchen Fällen liegt die Ursache in der Frühzeit der Mittelohrchirurgie, als noch überwiegend radikale Ohroperationen mit einem Meißel durchgeführt wurden. Vor allem im Kindesalter mit retro-Hautschnitt ist dabei der abgelöste Ohrmuschelknorpel nach vorne verlagert worden und hat so den Gehörgangseingang verlegt.
Die Operation erfolgt in der Regel ambulant in LA.
Durch einen halbmondförmigen Hautschnitt im äußeren hinteren Eingangsbereich wird das darunterliegende Gewebe (Knorpel, Narbe, evtl. auch Knochen) weggenommen.
Meist reicht eine lockere Tamponade mit einem Vaseline-Mull-Streifen, der wenige Tage belassen wird.
Bei Hörgeräteträgern ist nach Abheilung evtl. ein neues Ohrpassstück anzufertigen.
Bei einer Gehörgangs-Stenose ist der Gehörgang in seiner ganzen Länge verengt. Häufige Ursache sind chronische Entzündungen, die zu einer erheblichen Hautverdickung führen.
Ein zu enger Gehörgang kann jedoch auch angeboren sein. Weil die Belüftung des Gehörgangs und das natürliche Herauswachsen der Haut mit dem Abtransport der Hautschuppen gestört sind, wird die Entzündungsneigung gefördert. Die dann entstehende Schwellung im Gehörgang kann neben Schmerzen eine nicht unerhebliche Schallleitungsschwerhörigkeit verursachen.
Wir empfehlen meistens ITN, da bei einem entzündeten Gehörgang die LA oft nicht so gut wirksam ist.
In der Regel kann diese Gehörgangsoperation ambulant erfolgen. In Ausnahmefällen, z. B. bei stark ausgeprägtem Befund kann wegen der Beschwerden nach der Operation ein kurzer stationärer Aufenthalt von 1-2 Tagen günstiger sein.
Nach dem en-Hautschnitt wird die verdickte Haut ausgedünnt und der knöcherne Gehörgang erweitert.
Nach der OP wird ein Gelatineschwamm mit Silikonfolien in den Gehörgang eingelegt (Tamponade); diese bleibt meist 2 Wochen im Ohr, ebenso lang ist der Patient arbeitsunfähig.
Leider ist das Risiko einer erneuten Verengung relativ hoch, da wir die Ursachen für die Entstehung nicht sicher kennen. Umso wichtiger sind regelmäßige Kontrollen, zu Anfang alle 2 bis 3 Monate, dann etwa alle 6 bis 12 Monate, um aufflackernde Entzündungen rechtzeitig behandeln zu können.
Exostosen sind kugelige, oft mehrere knöcherne „Neubildungen“, die den Gehörgang in der Mitte und zum Trommelfell hin (ähnlich einer Sanduhrenge) über viele Jahre schleichend bis zum völligen Verschluss zuwachsen lassen. Häufig ist erst im Endstadium eine Schallleitungsschwerhörigkeit bemerkbar. Nur selten reichen die Exostosen auch in das Mittelohr. Im Volksmund sind diese Knochenveränderungen als „Überbein“ bekannt.
Es wird vermutet, dass häufiger Kaltwasserreiz die Ursache sein könnte, da diese Erkrankung vermehrt bei Leistungsschwimmern und Wasserballspielern gesehen wird. Bis auf zeitweise auftretenden Verschluss des Gehörgangs bei Kontakt mit Wasser sind Beschwerden selten. Selbst ein schlitzförmig zugewachsener Gehörgang verursacht in der Regel keine Schwerhörigkeit.
Bei ausgeprägten Befunden ist eine Operation auch bei Beschwerdefreiheit dringend zu empfehlen, da dieser Eingriff schwieriger und von der Heilung her problematischer wird, wenn Entzündungen zu Hautveränderungen führen. Hautschuppen im Bereich zwischen der Engstelle und dem Trommelfell, die nicht mehr mit der Hautregeneration nach außen transportiert werden können, sind sogar potenziell gefährlich, da sie das Trommelfell zerstören können.
Sofern wir bei diesem ambulanten Eingriff eine Operationsdauer von mehr als 45 bis 60 Minuten erwarten, wird von uns ITN empfohlen; ansonsten ist LA ausreichend.
Auf endauralem Weg wird nach und nach die oft sehr dünne Haut von den Knochenvorwölbungen abgelöst, der Knochen darunter stetig weggefräst und gemeißelt, bis das Trommelfell, welches in der Regel unbeschadet bleibt, erreicht ist. Danach wird die Haut wieder zurückgelegt. Freiliegende Knochenbereiche (der Gehörgang ist ja jetzt deutlich weiter) werden mit Bindewebeläppchen aus dem Hautschnittbereich und evtl. mit Hauttransplantaten von der Rückseite der Ohrmuschel zur schnelleren und besseren Heilung abgedeckt.
Am Ende der Operation werden in den Gehörgang Silikonfolien und Gelatineschwämmchen eingelegt; diese Tamponade verbleibt 2 Wochen im Gehörgang; so lange dauert auch die Arbeitsunfähigkeit.
Bei Erwachsenen ab dem mittleren Alter ist damit zu rechnen, dass diese Erkrankung nicht noch einmal auftritt. Dies hängt aber von der nicht einschätzbaren „Aktivität“ des Knochenwachstums ab, wie sie bei jungen Menschen noch besteht.
Chronische Entzündungen mit „Wildfleischwucherungen“ (Granulationen, Polypen) auf dem Trommelfell und der angrenzenden Gehörgangshaut mit anschließender Umwandlung in Narbengewebe führen zu einem Verschluss des Gehörgangs.
Die anfänglichen chronischen Eiterungen lassen nach oft jahrelangem Verlauf nach. Dann ist der normalerweise 3 bis 4 cm lange Gehörgang mehr oder weniger stark durch Narbengewebe verkürzt und zugewachsen. Nach außen hin ist er muldenförmig durch Haut abgeschlossen. Der Patient ist zwar beschwerdefrei, allerdings verursacht der „Narbenpfropf“ eine deutliche, teilweise nicht unerhebliche Schallleitungsschwerhörigkeit.
Hinweis
Abhängig vom individuellen Befund wird LA oder ITN gewählt und über stationäre oder ambulante Operation entschieden.
Häufig ist die Entfernung des Narbengewebes schwierig. Das Trommelfell darunter ist oft intakt. Der Bereich des freigemachten Gehörgangs und das Trommelfell sind jetzt ohne Hautabdeckung.
Nach Erweiterung des Gehörgangs werden Bindegwebeläppchen, die aus dem Hautschnitt entnommen werden, und Hauttransplantate von der Ohrmuschelrückseite auf den freiliegenden Knochen des Gehörgangs und auf das Trommelfell gelegt. Dadurch soll ein Wiederauftreten der Stenose/Obliteration vermieden werden. Nach der Operation werden Silikonfolien und Gelatineschwämmchen für 2 bis 3 Wochen in den Gehörgang eingelegt.
Die statistische Auswertung unserer Operationen weist eine gute Abheilung in 60 bis 70 % der Fälle auf, verbunden mit einem normalen Gehör.
Es ist jedoch bekannt, dass jedes Narbengewebe während der bis zu 6 Monate anhaltenden Heilung individuell eine mehr oder weniger starke Tendenz zur Schrumpfung hat. Dies würde im ungünstigen Fall zu einer zirkulären (ringförmigen) Stenose im Gehörgang führen.
Darüber hinaus sind leider auch nach einem beschwerdefreien Intervall von manchmal 1-2 Jahren wieder erneute Entzündungen des Gehörgangs ohne erkennbare Ursache vorgekommen, sodass dann der Prozess von neuem beginnt.
Aus diesem Grund sind Nachkontrollen (nach Möglichkeit bei uns) in bestimmten Abständen unerlässlich. Die Nachbehandlung kann sich im Extremfall über viele Monate hinziehen. Sollte es trotz aller Bemühungen wieder zu einem narbigen Gehörgangsverschluss kommen, ist ein Hörgerät eine Alternative.
Hautverletzungen verursacht durch z. B. Wattestäbchen oder andere Reinigungsinstrumente können bei einer dünnen, pergamentartigen Gehörgangshaut den Knochen freilegen. Oberflächliche Entzündungen führen dann zu einem Knochenabbau. In den so entstehenden Krater wächst die Haut hinein und breitet sich dort immer weiter aus: man spricht auch von „Knochenkaries“.
Es entstehen hartnäckige Verkrustungen, die sich oft nur unter Schmerzen entfernen lassen.
Informationen
Die Operation erfolgt ambulant, endaural und in LA.
Aus dem Knochendefekt wird die hineingewachsene Haut ausgelöst und zum Trommelfell hin weggeklappt. Der Knochen wird mit einer kugelförmigen Minifräse muldenförmig geglättet, was der Kariesentfernung beim Zahnarzt ähnelt. Zum Wiederaufbau (Rekonstruktion) wird diese Mulde mit körpereigenem Gewebe aufgefüllt z. B. mit dünnen Knorpelstreifen. Bei stark ausgedehnter Knochenzerstörung hat sich in den letzten Jahren auch ein bioaktives Glasgranulat ( BonAlive®) als Füllmaterial bewährt (siehe Obliteration Mastoidhöhle im Artikel: „Erkrankungen des Mastoids und ihre operative Behandlung“). Abschließend wird diese Rekonstruktion mit einem Bindegewebeläppchen aus dem Hautschnitt und der Haut abgedeckt.
Nach der Operation werden Silikonfolie und Gelatineschwämmchen in den Gehörgang eingelegt. Diese Tamponade bleibt für etwa 2 Wochen im Gehörgang und wird dann in der Praxis entfernt.
Autor
Dr. med. G. Schimanski wurde 1946 in Hameln a. d. Weser geboren und ist nach dem Studium der Human- und Zahnmedizin in Münster und der Assistentenzeit in Dortmund seit 1978 Facharzt für HNOHeilkunde. Nach 5-jähriger Oberarzttätigkeit und Spezialausbildung in der Mittelohrchirurgie im Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen gründete er 1983 eine HNO-Praxis in Lünen- Brambauer. Gleichzeitig begann die operative Tätigkeit als HNO-Belegarzt im Krankenhaus Lünen-Brambauer (heute: Klinikum Westfalen, Klinik am Park) und der Aufbau des Zentrums für Mittelohrchirurgie. Bis heute wurden weit über 13.000 Ohr-Operationen durchgeführt. 2005 wurde Dr. Schimanski der „Hofmann- und Heermann-Preis“ durch die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, verliehen. Er hat eine Vielzahl von Fachpublikationen veröffentlicht.
Leiterin der Mittelohrchirurgie
Dr. med. Esther Schimanski wurde 1974 in Münster/Westf. geboren. Sie studierte Humanmedizin in Greifswald und Kiel. Auslandssemester wurden in Knysna (Südafrika), in Malta und in Townsville (Australien) absolviert. Die Assistentenzeit erfolgte im Prosper Hospital Recklinghausen, in der HNO-Praxis Lünen- Brambauer (Zentrum für Mittelohrchirurgie) und im Städtischen Klinikum Solingen. Seit 2007 ist Frau Dr. Schimanski als Partnerin in der HNO-Gemeinschaftspraxis Lünen-Brambauer (Medizinisches Zentrum Klinikum Westfalen) mit Schwerpunkt in der Mittelohrchirurgie und seit 2014 als Leiterin auf diesem Spezialgebiet tätig.